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Schwierige Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2017

Wahlanalyse der Politikwissenschaftler Dr. Michael Jankowski und Jan Philipp Thomeczek


Foto des Niedersächsischen Landtags   Bildrechte: Niedersächsischer Landtag - Blocher Bloch Partners
Am 15. Oktober 2017 hat Niedersachsen einen neuen Landtag gewählt. Bei der Wahl handelte es sich um eine vorgezogene Neuwahl, die durch den Fraktionswechsel Elke Twestens von den Grünen zur CDU ausgelöst worden war. Die Ergebnisse brachten zwar einen klaren Sieger hervor, versprechen jedoch schwierige Koalitionsverhandlungen.

Die CDU musste mit nur 33,6 Prozent der Zweitstimmen ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 verkraften. Davon profitierte die SPD (36,9 %), die erstmals seit 1998 wieder stärkste Partei wurde. FDP (7,5 %) und Grüne (8,7 %) mussten Einbußen hinnehmen. Die Linke hat mit 4,6 Prozent den Einzug in den Landtag knapp verpasst. Die AfD schnitt mit 6,2 Prozent der Stimmen deutlich schlechter ab als im Bund, schaffte aber den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde deutlich.

Die Regierungsbildung wird auf Grundlage dieses Ergebnisses nicht einfach. Grüne und SPD verfehlen die Mehrheit knapp um zwei Sitze, das konkurrierende Bündnis aus CDU und FDP kommt gemeinsam auf noch weniger Sitze. SPD und Grüne hatten vorher nicht ausgeschlossen mit der Linken zu koalieren, was aber mangels parlamentarischer Repräsentation durch die Linke ebenfalls keine Option darstellt. Alle weiteren Bündnisse (Große Koalition, „Jamaika“ aus CDU, Grünen und FDP sowie eine „Ampel“ aus SPD, Grünen und FDP) wurden von den Beteiligten im Wahlkampf ausgeschlossen. Insbesondere eine Zusammenarbeit von SPD oder Grünen mit der CDU scheint in der aktuellen personellen Konstellation schwierig, da das Klima durch den Fraktionswechsel der Abgeordneten Twesten als vergiftet gilt.
Wie sind diese Ergebnisse zu erklären?

These 1: Landespolitik (auch) entscheidend
Wenngleich sich der Wahlkampf in Niedersachsen in großen Teilen mit dem Bundestagswahlkampf überschnitt und seine heiße Phase im Schatten der sich anbahnenden Koalitionsverhandlungen stattfand: Die Ergebnisse sprechen eine klar landespolitische Sprache. Hohe Zustimmungsraten für Stephan Weil und eine gute Beurteilung der wirtschaftlichen Lage Niedersachsens spielten der SPD in die Hände und führten zu einer deutlichen Abweichung zwischen Landtagswahl- und Bundestagswahlergebnisses.

Dies erschwerte es auch kleinen Parteien wie der AfD und Linken bei der Landtagswahl erfolgreich zu sein. Zwar konnten beide Parteien im Vergleich zur letzten Landtagswahl hinzugewinnen, aber keine der Parteien konnte an die Ergebnisse der Bundestagswahl anschließen. Der Wahlkampf konzentrierte sich auf die vier Parteien in der politischen Mitte: Grüne, SPD, CDU und FDP.


These 2: CDU konnte keine Wechselstimmung entfachen
Die CDU ist mit dem klaren Ziel angetreten, die rot-grüne Landesregierung abzulösen. Doch diese Wechselstimmung konnte zu keinem Zeitpunkt entfacht werden. Die Wählerbefragung durch Infratest dimap zeigt, dass 63 Prozent der Menschen in Niedersachsen mit ihrer Landesregierung zufrieden waren. Damit fällt die Zufriedenheit deutlich höher aus als die Zufriedenheit mit der schwarz-gelben Landesregierung vor vier Jahren (56 %).

Hauptgrund hierfür ist die gute Bewertung des Ministerpräsidenten, der in allen Bereichen vor Bernd Althusmann liegt. Bemerkenswert für einen SPD-Kandidaten ist es, dass ihm sogar mehr Wirtschaftskompetenz als seinem Herausforderer zugeschrieben wird (34 % vs. 30 %). Zudem wird auch Innenminister Boris Pistorius eine gute Arbeit bescheinigt (von 49 %), wodurch die SPD ihre Kompetenzzuschreibung im Bereich Sicherheit verbessern kann, der sonst ebenfalls stärker von der CDU dominiert wird.


These 3: Twesten-Wechsel schadete CDU
Als die niedersächsische CDU im August den Fraktionswechsel von Elke Twesten bekannt gegeben hatte, galt dies als ein großer PR-Coup. In den Umfragen lag sie bei 40 Prozent, der Regierungswechsel schien in greifbarer Nähe. Doch dieser Wechsel, der die Landesregierung stürzte, vergiftete den politischen Diskurs nachhaltig.

SPD und Grüne warfen der CDU und Althusmann persönlich vor, Twesten ein „unmoralisches Angebot“ unterbreitet zu haben. Diese Verbal-Attacken zeigten offenbar Wirkung, denn die Zustimmung zu Althusmann sank fortan, während die Popularität von Weil anstieg. Die Wählerinnen und Wähler haben es der CDU offenbar übel genommen, dass sie die Landesregierung gestürzt hatte.


These 4: Lagerwahlkampf lässt Volksparteien besser abschneiden als bei Bundestagswahl
Damit waren die perfekten Ausgangsbedingungen für einen klassischen Lagerwahlkampf gelegt. Da alle Parteien sich früh festlegten, dass es eine „Jamaika-“, „Ampel-“ und auch eine Große Koalitionen mit ihnen nicht geben werde, spitzte sich alles auf die beiden Lager Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb zu. Als Andrea Nahles und Stephan Weil dann auch eine Beteiligung der Linken nicht ausschließen wollten, ist die Polarisierung zwischen den beiden Lagern noch weiter gewachsen. Die CDU mobilisierte fortan – ohne Erfolg – gegen Rot-Rot-Grün.

Letztlich hat aber die Zuspitzung auf diese beiden Lager-Optionen dazu geführt, dass sowohl SPD als auch CDU besser abgeschnitten haben als noch bei der Bundestagswahl. Leidtragende waren die kleineren Parteien. Insbesondere die Linke hatte sich Hoffnungen auf einen Einzug in den Landtag gemacht, aber auch Grüne, FDP und vor allem die AfD hatten auf mehr Stimmen gehofft.


These 5: SPD in Niedersachsen profitiert von Absage an Große Koalition durch Bundes-SPD
Aufgrund der großen zeitlichen Nähe intervenierte die Bundestagswahl in den niedersächsischen Wahlkampf. Die Entwicklung der Umfragewerte lassen erkennen, dass die SPD in Niedersachsen davon profitiert hat, dass sich die Bundes-SPD so früh gegen eine Große Koalition entschieden hat.

Seit der Bundestagswahl ist die Zustimmung für die niedersächsische SPD kontinuierlich gestiegen, so dass sie erst eine Woche vor dem Wahltermin an der CDU vorbeiziehen konnte. Diesen Effekt bestätigen auch die Zahlen von Infratest dimap: 54 Prozent der Befragten gaben an, dass die SPD in Niedersachsen vor der Wahl klarer gesagt habe, was sie wolle, als bei der Bundestagswahl. Zu diesem Anlass hatte Martin Schulz die Große Koalition nicht explizit ausgeschlossen.

Ergebnisse der Wählerbefragung durch Infratest dimap: http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2017-10-15-LT-DE-NI/umfrage-aussagen.shtml
Autoren:
Dr. Michael Jankowski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (Post-Doc) am Institut für Sozialwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Wahl- und Parteienforschung sowie im Bereich Methoden.

Jan Philipp Thomeczek ist Promovierender an der NRW School of Governance und ehemaliger Stipendiat der Mercator Stiftung. Er war zudem Projektleiter des Landeswahlkompasses 2017 bei Kieskompas BV.


Autoren des Beitrags

sind die Politikwissenschaftler Dr. Michael Jankowski und Jan Philipp Thomeczek.

Foto von Dr. Michael Jankowski Bildrechte: Dr. Michael Jankowski

Dr. Michael Jankowski (Uni Oldenburg)

Foto von Jan Philipp Thomeczek  

Jan Philipp Thomeczek (Landeswahlkompass Niedersachsen)

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.10.2017
zuletzt aktualisiert am:
11.05.2018

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